Animal-Machine


Mit dem Bau von Automaten erweiterte sich erstmals die Frage um das Verhältnis von Mensch zu Tier auf das Verhältnis zwischen biologischem und mechanischem Wesen. Als einer der ersten glaubte Leonardo da Vinci in Tier, Mensch und Maschine die gleichen, durch mathematische Formeln beschreibbaren mechanischen Prinzipien zu erkennen. Perspektive, Explosionsisometrie und transparenter Darstellung, ein neu entstehender technischer Zeichenstil, eröffnete zur gleichen Zeit neue Sichtweisen. Künstler und Forscher (Mariano di Jacopo, genannt ‘Taccola’, Hans Wechtlin, Vesalius, Ambroise Pare) übertrugen diesen Zeichenstil auf die Anatomie und dachten damit erstmals an die Möglichkeit gegenseitiger Ersetzbarkeit von Körper und Maschine.


Das Problem der Grenzziehung zwischen Mensch, Tier, Maschine beschäftigte auch die Philosophen. Montaigne war Verfechter tierischer Überlegenheit. Die größere Natürlichkeit des Tiers bewies dessen Unfehlbarkeit / Überlegenheit, während den Menschen seine Vernunft durch ihre Fehlbarkeit unterlegen machte. (vgl. Wahrnehmung)

Descartes, wie Thomas von Aquino ein Anhänger aristotelischer Lehren, verglichen demgegenüber das Tier mit einer Maschine, beide dem Menschen unterlegen; “they [animals] are not rational, and [...] nature makes them behave as they do according to the disposition of their organs; just like a clock, composed only of wheels and springs, can count the hours and measure the time more accurately than we can with all our intelligence.” (nach Descartes in Mazlish s22).

Menschliches Bestreben mußte nach Descartes sein, die [mechanische] Perfektion des Tiers (Montaigne läßt grüßen) zu erlangen, allerdings nicht auf der Basis von [tierischen] Reflexen (vgl. Pavlov), sondern durch die Kraft des freien Willens, um sich genau damit über das Tier zu erheben.
Je näher der Mensch seinem Ziel käme, desto stärker würde er durch die Vernunft seine Wahrnehmungen und seine Verbindung zur Natur überwinden. Dadurch würde er zwar mechanischer als das Tier, aber eben aus freiem Willen. Die höchste Erkenntnis, die Verkörperung der Vernunft und damit vollkommene Abkopplung von der Natur (mechanische Perfektion auf Vernunftbasis) bleibt dem Menschen allerdings versagt, sie existiert allein in Gott: “Reason becomes the religion whereby Descartes can free himself from the material world and the dross of animal nature and become pure, rational spirit.” (Mazlish s21)
War die Welt erst einmal rational erklärbar, konnte sie auch, so die logische Schlußfolgerung Descartes’ bis in das kleinste Detail durch “reason’s most powerful tool” - die Mathematik erfaßt werden.
“The rules of mechanics ... are the rules of nature.” (nach Descartes in Mazlish s22)

Trotzdem würde auch eine mechanisch perfekte Maschine, nach Descartes Meinung, nie in der Lage sein bewußt zu reagieren, d.h. eigene Gedanken in Sprache oder Gesten zu fassen; ohne Verstand hätte sie keine Möglichkeit körperlich selbständig auf Situationen zu reagieren, denn Verstand ist nicht materie- sondern gottgegeben und der Mensch damit nach wie vor von ‘übernatürlicher’, gottgegebener Abstammung: “the rational soul ‘could not possibly be derived from the powers of matter ... but must be specially created’” (nach Descartes in Mazlish s24)>/p>

Im Gegenzug näherten sich die Traditionalisten (de Séivigni, Fontenelle, La Fontaine, Gassendi) von anderer Seite wieder Montaigne. Sie glaubten an eine Seele im Tier und folglich an einen geringeren Unterschied zum Menschen. Radikalere Denker, wie Lamettrie (basierend auf Locke) sprachen andererseits dem Menschen die Seele ab: Der Mensch, eine Maschine wie das Tier (L‘Homme-machine, 1747), allerdings ‘une machine bien éclairée’ (vgl. später Huxley, Pavlov).



“He [man] is to the ape, and to the most intelligent animals, as the planetary pendulum of Huyghens is to a watch of Julien Leroy. More instruments, more wheels and more springs were necessary to mark the movements of the planets than to mark or strike the hours; and Vaucanson, who needed more skill for making his flute player than for making his duck, would have needed still more to make a talking man, a mechanism no longer to be regarded as impossible, especially in the hands of another Prometheus.” (nach Lamettrie in Mazlish s29)