Babbage, Huxley, and Butler

Schon Anfang des 19.Jhdt. beschäftigt sich Babbage, stimuliert durch einen Regierungsauftrag zur Erstellung neuer astronomischer Tafeln für die Seefahrt, mit Rechenmaschinen; ganz im Sinn der aufkommenden Mechanisierung und Rationalisierung. Seine Ausgangsposition ist vergleichbar derer Darwins, dessen Reise auf der Beagle als Initialzündung der Evolutionstheorie gilt, aber eigentlich zum Zweck hatte Seewege für den beginnenden britischen Imperialismus zu erkunden. Im Wissen der Theorien von Adam Smith entwarf Babbage eine neuartige Maschine, die auf dem Prinzip der Arbeitsteilung basierte. Während allerdings für Smith die Maschine nur Teil der Arbeitsteilung war, setzte sie Babbage in das Zentrum der industriellen Produktion. Eine Maschine für Routinearbeiten einzusetzen, war nicht neu in Zeiten der beginnenden Industriellen Revolution. Demzufolge wurde Babbages Maschine vor allem mit zwei Methaphern besetzt; mit der einer ‘Arithmetischen Mühle’, die, aus Zahlen (gefüttert mit Lochkarten) ‘genießbare’ Ergebnisse ‘mahlte’ (Mühlen waren ein Hauptausgangspunkt der Industriellen Revolution, ihre Wärter wurden zu den ersten Ingenieuren (Kanalbau) und ‘Mill’ zum Symbol der Textilindustrie). Das andere Bild stammt direkt aus der Textilindustrie: die große Erfindung der Industriellen Revolution, der Webstuhl von Jaquard, der nach auf Lochkarten gespeicherten Mustern halbautomatisch Tuche webte.
“It could be said most aptly that the analytical engine wove algebraic patterns, just as the Jaquard loom wove flowers and leaves.” (Maboth Moseley; Irascible Genius: The life of Charles Babbage; Henry Regnery Co., Chicago 1961; S.xiii in Mazlish, s133)
Obwohl kurz darauf die eigentliche Mechanisierung der Industrielle Revolution mit weitaus groberen Maschinen begann, war Babbages Mechanik wegweisend. Als erster plante und entwarf er seine Maschinen und ließ sie anschließend fertigen.
“We see the quantum jump forward, however, when we note that what, until Babbage, was a matter of craftsmanship - making automata by trial and error - became, in his hands and mind, a matter of preconceptualized design: modem science.” (Mazlish, s135)
Seine Maschine, die Babbage selbst als “engine eating ist own tail” (Mazlish, s136) bezeichnete, wurde zum Prototyp der Maschine des 20.Jhdt.; die Rechenvorgänge beeinflußten sich gegenseitig, die Mechanik verfügte über einen Langzeitspeicher (‘Bibliothek’), in dem häufig benötigte Rechenabläufe aufbewahrt werden konnten und über einen Kurzzeitspeicher, der Zwischenergebnisse bis zur Weiterverwendung durch das Programm speicherte.
“Babbage claimed, that it posessed the ability to operate along lines not specifically laid down in the machine’s instructions beforehand.” (Mazlish, s136)
Neben der Entwicklung seiner ‘Zahlenmaschine’, versuchte sich Babbage in seiner Schrift ‘On Economy of Machinery and Manufactures’ (1832) an einer verallgemeinernden technischen Theorie zur Klassifizierung von Maschinen, Mazlish vergleicht sie mit Linnaeus ‘Systema Naturae’ (s.o.). Ein Teil davon war ein universelles Zeichensystem (laut Babbage ‘mecanical notation’), mit dessen Hilfe alle Arbeitsabläufe einer Maschine dargestellt werden konnten (es soll auch von Ärzten auf Tiere angewandt worden sein [sic!]).
Während bei Adam Smith (s.o.) also die Maschine menschliche Arbeitskraft ersetze, hatte Babbage nun den ersten Apparat gebaut, der menschliche Geisteskraft ersetzen konnte. Natürlich funktionierte seine Maschine durchweg mechanisch anstatt mit Neuronen und erfüllt damit nicht die heutigen Erwartungen an künstliche Intelligenz, aber das Ergebnis war dasselbe.
Den Menschen oder Gott zu ersetzen, war Babbages Absicht aber nicht. In seinem 1837 herausgegebenen ‘The Ninth Bridgewater Treatise, A Fragment’ versuchte er den wissenschaftlichen Nachweis für Wunder zu erbringen.
“[...] at definite periods, known only to its maker, a certain lever might become moveable during the calculations then making. The consequence of moving it might be to cause the then existing law to be violated for one or more times, after which the original law would resume its reign.” (nach Babbage in Mazlish, s140)
Babbage versuchte damit die Möglichkeit einer nach Naturgesetzen funktionierenden Welt zu erschaffen, mit Wundern als kleinen Manipulationen durch den großen Rechenmeister.

Auf Huxley geht die Initialfrage zurück. Seiner Theorie nach waren Menschen ein Teil des Tierreichs damit, wie die Tiere, durch die Evolution entstandene Mechanismen und Verstand bzw. Bewußtsein physisch-chemische Prozesse, die deterministischen Gesetzen folgten. Würden also weiterentwickelte, denkende Mechanismen entstehen? Huxley beschäftigte sich nicht mit dieser Frage, Babbage ließ eine solche Entwicklung vermuten; der erste der sich explizit dazu äußerte war Samuel Butler.
Butler war ein, durch eine streng protestantische Erziehung leicht schizoider Exzentriker, alle seine Schriften von einem sarkastischen Unterton durchzogen. 1859 wanderte er als Schafzüchter nach Neuseeland aus, hielt aber Kontakt zu England und später zu Darwin. Ohne eigentliche wissenschaftliche Ausbildung begann er sich mit den Phänomenen der Evolution und Mechanisierung in Aufsatz- und Romanform auseinanderzusetzen. Im Juni 1863 veröffentlichte er den Aufsatz ‘Darwin Among the Machines’. In einer, laut Mazlish, ‘außergewöhnlichen, wenngleich zweideutigen’ Eingebung sah er eine mögliche Zukunft voraus.
“If we revert to the earliest primordial types of mechanical life, to the lever, the wedge, the inclined plane, the screw, and the pulley ... and if we then examine the machinery of the Great Eastern, we find ourselves almost awestruck at the vast development of the mechanical world, at the gigantic strides with which it has advanced in comparison with the slow progress of the animal and vegetable kingdom. [...] We regret deeply that our knowledge both of natural history and of machinery is too small to enable us to undertake the gigantic task of classifying machines into the genera and subgenera, species, varieties and sub-varieties, and so forth, of tracing the connecting links between machines of widely different characters, of pointing out how subservience to the use of man has played that part among machines which natural selection has performed in the animal and vegetable kingdoms, of pointing out rudimentary organs which exist in some few machines, feebly developed and perfectly useless, yet serving to mark descent from some ancestral type which has either perished or been modified into some new phase of mechanical existence.” (Samuel Butler; `Darwin Among the Machines; in: A First Year in Canterbury Settlement and Other Early Essays; Shrewsbury Edition of the Works of Samuel Butler, London 1923; S.187, 201 in Mazlish, s148)
Damit schlug Butler eine maschinelle Klassifizierung, ähnlich Babbage, vor; wie zuvor Darwin die Linnaeussche Einteilung der Natur, versuchte er die Babbagesche Einteilung zu ‘animieren’, den Zeitfaktor zu integrieren. Er verglich Maschinenentwicklung mit Tierzucht); beidesmal stand bei Butler die menschliche anstelle der natürlichen Auswahl (vgl. Darwins Idee von Tierzucht als menschlicher contra Evolution als natürlicher Auswahl). Bereits damals vermutete Butler, inspiriert durch die Evolutionstheorie Darwins, eine Verkleinerung der Maschinen und eine Art maschinellen Instinkt.
“The day may come when clocks ... may be entirely superseded by the universal use of watches, in which clocks will become extinct like the earlier saurians.”
“by all sorts of ingenious contrivances [machines aquire] that self-regulating, self-acting power which will be to them what intellect has been to the human race.” (Butler; Darwin Among the Machines; a.a.o.; S.210 in Mazlish, s148)
In der Folge fürchtete auch Butler, der Mensch könne unterliegen (“We shall find ourselves the inferior race”) und zu einem bloßen Futtergeber reduziert werden, als Haustier der Maschinen.
Interessanterweise veröffentlichte Butler auch Artikel, die seiner eigenen Theorie widersprachen. In ‘Lucubratio Ebria’, einem Artikel veröffentlicht 1865, behandelte er das Thema Maschinen positiver. Er beschrieb sie jetzt als Erweiterungen des menschlichen Körpers, durch die der Mensch - Maschinen als Symbol und Teil der Zivilisation - seine Zivilisation direkt verkörpere. Für Butler waren diese maschinellen Körperteile in die menschliche Evolution eingebunden (modernere mechanische Glieder als Unterscheidungsmerkmal zu den Vorfahren) und Kontrolle über sie ein neuer Klassenunterschied.
“A Rothschild is a ‘most astonishing’ organism and ‘may be reckoned by his horse-power, by the number of foot-pounds which he has money enough to set in motion. [...] Who, then, will deny that a man whose will represents the motive power of a thousand horses is a being very different from the one who is equivalent but to the power of a single one?’” (Samuel Butler; Lucubratio Ebria; in A Fist Year; a.a.O.; S.217,219 in Mazlish, s149)
Butler erweiterte Adam Smiths Konzept von Reichtum gleich Verfügungsgewalt über Arbeitskraft, indem er es in Verfügungsgewalt über Energie, speziell Energie aus nicht lebendigen Quellen, umformulierte. Zugleich war ihm klar, daß der Grad an Kultur bzw. Zivilisation, gleichbedeutend mit Verfügungsgewalt über ‘außerleibliche Körperglieder’ die menschlichen Gesellschaften voneinander unterschied.
In seiner Schrift ‘The Mechanical Creation’ von 1865 führt er seine anfängliche These fort und kam zu der Vermutung, daß durchaus die Entwicklung einer mechanischen Lebensform möglich wäre, überlegener und andersartiger als jede bisher bekannte.
“The process is Darwinian, but the end result is the replacement of the organic by the machinate.” (Mazlish, s150)
Anstoß dieser Entwicklung, so Butler, wäre der Mensch selbst. In seinem eigenen evolutionären Streben nach Überleben würde er Maschinen entwickeln, die ihm einen Vorteil verschafften; wobei eine Maschinengeneration die andere ersetzte.
“Butler speaks of guns actually fighting one another for survival.” [...] “In the process, the machines ‘evolve’, threatening eventually to become superior to humans.” (Mazlish, s151)
Mensch kann die Entwicklung schon nicht mehr stoppen.
“But the servant glides by imperceptible approaches into the master; and we have come to such a pass that, even now, man must suffer terribly on ceasing to benefit the machines ... Man's very soul is due to the machines; it is a machine-made thing; he thinks as he thinks, and feels as he feels, through the work that machines have wrought upon him, and their existence is quite as much a sine qua non for his, as his for theirs. This fact precludes us from proposing the complete annihilation of machinery.” (Samuel Butler; Erewhon; Penguin Books, Harmondsworth; S.80-81) (Mazlish, s153/154)

Epilog:
“If one takes Darwin seriously and accepts that the human is in an evolutionary relation to the other animals; adds to this the idea, advocated by Huxley (building on Descartes), that the animals are animal-machines and humans therefore the same (allowing for whatever differences in consciousness exist); admits that humans then create machines, including Babbage-like computers, which are merely consciously contrived versions of the animal-machine (again only differing in degree); then one can conclude that we are on an evolutionary continuum, with machines as a new, and possibly advanced, species.” (Mazlish, s155)