kultureller Einfluß


Der symbolische Wert einer Ware wird wichtiger. “Der tiefgreifende Wandel des Marktes, der damit einhergeht, beruht zum Teil auf der Tatsache, daß der Gebrauchswert von Waren durch die Grenzen der physischen Konsummöglichkeiten des menschlichen Körpers immer eingeschränkt ist, während symbolische Werte, die auf die Phantasie und die Wünsche des menschlichen Ego zielen, nahezu grenzenlos sind.” Der Warenästhet beschränkt sich auf die äußere Hülle, die Erscheinung. Diese Abhängigkeit entsteht durch das Primat des Sehens. “Das Sehen integriert die anderen Sinne. Wenn es wegfällt, löst sich das Sensorium auf.” (John M. Hull; Der Ganzkörper-Seher - Blindheit und Sehen als verschiedene Formen der Wahrnehmung) Die Aufrichtung des Menschen in die Vertikale hat den ersten Wahrnehmungsverlust zur Folge: “Hören und Sehen sind Fernsinne, gehören zum aufrechten Gang, der wiederum die anderen Sinne verkümmern läßt. Die intersubjektive Welt sozialer und symbolischer Objekte sei durch ‘Sichtbarkeit und Sprache’ gebildet.” (Böhme; Sinne und Blick. Variationen zur mythopoetischen Geschichte des Subjekts. In: Konkursbuch 13, Tübingen 1984) Eine logische Entwicklung ist also die aug- und ohrfixierte Welt der Medien. (Sturm) Der Visualprimat (“Okulartyrannis”) bestimmt die neoplatonische und mittelalterliche Lichtmetaphysik (Interpretation des göttlichen Worts in visuellen Metaphern) genauso wie das moderne Lichtpathos der Aufklärung (Transparenz als höchster Wert der Moderne). Damit beginnt die Rationalisierung, die das Seiende berechenbar macht und in der modernen Technik gipfelt (Newton). “Die Dialektik, ja letzlich die Tödlichkeit des Sehens wurde unsrer Kultur schon im Mythos prophezeit - in der Geschichte von Narziß. [...] Narziß verfiel der tödlichen Faszination des Sehens, genau nachdem er die Nymphe Echo - also die mystische Inkarnation des reinen Tons - verschmäht, sie nicht ‘erhört’ hatte.” (aus: Welsch)

“Verflechtungen und Netzwerke - also die Denkformen, die wir zukünftig benötigen - wären für sie [Hörkultur] selbstverständlicher als die herkömmlichen logischen Schritte.” Welsch steht damit nicht allein. “Die alten Organisationsformen waren ‘Seh-Ordnungen’, die neuen werden ‘Hör-Organismen’ sein.” (Joachim-Ernst Behrendt) (vgl. auch Heidegger, Rosenstock-Huessy; Nietzsche: der schlechte Stil der Deutschen rührt daher, daß ihnen “das dritte Ohr” fehlt, daß sie die “Ohren ... in’s Schubfach gelegt” hätten; Kamper + Sloterdijk: eine neue “geheime Prävalenz des Hörens”). Obwohl Hören und Sehen beides Fernsinne sind (s.o. Sturm), hält doch das Sehen die Dinge auf Distanz: “Jeder Blick hat etwas vom Blick der Medusa: Er läßt die Gegenstände erstarren.” Das Sehen ordnet, distanziert und beherrscht; es kann kontrollieren, da seine Objekte dauerhaft sind. Beim Hören ist das Objekt vergänglich und es läßt ein. “Wir haben Augenlider, aber keine Ohrlider.” (Welsch)

Marshall McLuhan (Die magischen Kanäle - Kleidung: Unsere erweiterte Haut Düsseldorf 1968) spricht als einziger von einem bereits eingetretenen Wandel der Wahrnehmung. “[...] die Wohnung weitet den inneren Wärmekontrollmechanismus unseres Organismus aus, während die Kleidung eine noch direktere Ausweitung der Außenfläche unseres Körpers darstellt. [...] Im Zeitalter des Bikinis und der Froschmänner beginnen wir ‘die Festung unserer Haut’ als Raum und Welt für sich zu verstehen. Vorbei ist der Kitzel des Striptease. Nacktheit konnte nur in einer visuellen Kultur eine verbotene Sensation sein.” Der neue Umgang mit der Nacktheit ermöglicht eine neue Dimension der Wahrnehmung: “Die Psychologen lehren uns schon lange, daß ein Teil dessen, was wir hören, seinen Weg über die Haut selbst nimmt. Nachdem wir jahrhundertelang ganz bekleidet und im optischen Raum eingeschlossen waren, geleitet uns das Zeitalter der Elektrizität in eine Welt, in der wir mit der ganzen Oberhaut leben und atmen.”