Wahrnehmung


Das Sehen ist von Anbeginn selektiv. Das liegt schon an den biologischen Voraussetzungen. Die Grenze der Trennschärfe läßt all jene Elemente, die zu klein, zu eng gepackt oder zu weit entfernt sind in dem Gesamteindruck der Oberfläche verschwinden. Die Fovea centralis, der ‘gelbe Punkt’ alleiniger Sehschärfe beherrscht weniger als ein Grad des Sehkreises. Selektiert wird also schon durch die notwendige Bewegung des Auges. Informatonsflut kann, zweitens, effektiv nur durch Wissen bewältigt werden, das uns erlaubt schneller vom Gesamteindruck zu Einzelheiten zu wechseln (vgl.o.: ‘feature extractors’).

‘Redundanz’: eine “Technik der Versicherung durch Hinzufügen von Einzelheiten, die ohnehin erwartet werden und darum keine weitere Mitteilung enthalten”, d.h. der Sinneseindruck bleibt auch bei Teilausfall von Information erhalten. Um nicht von überflüssiger Information erschlagen zu werden filtert das Gehirn, ähnlich dem physischen Scharfstellen eines Objektivs, nur das Wichtigste heraus. “[...] Erwartungen, mit denen wir uns in der sichtbaren Welt zurechtfinden, schaffen Gelegenheiten für ungeheure Ersparnisse durch Vermindern des Betrags von Information, die wir besonders beachten müssen.” (J.J.Gibson ‘ökologische Optik’) Der Grad an überraschung, also unerfüllter Erwartung, entspricht dem Informationsgehalt

‘Extrapolieren’: die “Handlung oder Methode, durch eine Berechnung, die auf bekannten Einheiten einer Reihe beruht, andere Einheiten zu finden, vorhergehende oder nachfolgende.” (Bsp. Ballgefühl)

‘Kontinuitätserwartung’: “Wir nehmen an, daß sich nichts ändern wird, bis wir Beweise des Gegenteils sehen. Ohne diesen Glauben an die Stabilität der Welt könnten wir nicht überleben. Unsere Sinne wären unfähig, die Umgebung jeden Moment neu zu durchforsten und zu registrieren.” (vgl. unten Popper: ‘Einfachheitsprinzip’ und von Randow: Vor der Weiterverarbeitung im Gehirn werden die vom Auge erhobenen Daten vorverarbeitet. (aus: Gero von Randow, Der versteckte Teddybär, in: Zeitmagazin 10/95)

‘Kontinuitätswache’: “Unser gesamter Sinnesapparat ist im Grunde auf das Anzeigen unerwarteten Wechsels eingestellt. Kontinuität sinkt nach einiger Zeit unter die Schwelle des Bewußtseins.” Obwohl also Dinge nicht mehr im Bewußtsein sind, werden sie wahrgenommen - ihr Fehlen fällt besonders bei Geräuschen auf. Die damit verbundene Kraftersparnis ist nicht ohne Risiko und Fehler.

‘Einfachheitprinzip’: Popper beschreibt die Erstellung einer Hypothese in Rückbezug auf das menschliche System der Wahrnehmung, das nur darauf achtet, ob eine Veränderung der Reize eine neue Information ankündigt (Asymmetrie-Prinzip). Dabei steht am Beginn ein einfachster Ansatz, der dann bei fortschreitender Bearbeitung schrittweise verkompliziert wird. (nach Ernst H. Gombrich Die ökonomie des Sehens aus: Ornament und Kunst Stuttgart, 1982)