technischer Einfluß


Hugo Kükelhaus (Dennoch heute, DU 4/1995) beschreibt das langsame Abheben des Menschen von seiner Bezugsebeneanhand der Entstehung des Tischs, immerhin auch eine technische Entwicklung. “Dieses Schweben zwischen Himmel und Erde ist das Neue [und eine entscheidende Wende] gegen-über dem Haften am Boden - verheißungsvoll und gefährlich.” Die Haltung am Tisch, die Gebärdung, die Gestik machen die Nahrungsaufnahme zum Mahl und verweisen zugleich auf den “außermenschlichen Zusammenhang aller, erst recht der geringsten menschlichen Dinge. [...] Man nennt diesen weihevollen Bezug auch Kult und Ritual.” Der Tisch ist damit zugleich Wirkstätte über-persönlicher Kräfte und Ordnungen. ‘Tischordnung ist Weltordnung’ (letztes Abendmahl, Arthus’ Tafelrunde).

“Es ist eine Ironie des Schicksals des westlichen Menschen, daß er in den [technischen] Erfindungen nie eine Bedrohung seiner Lebensweise sah. Der westliche Mensch ist tatsächlich vom Alphabet bis zum Auto in einer langsamen technischen Explosion, die 2500 Jahre dauerte ständig umgewandelt worden. Seit der Zeit der Telegraphie jedoch erlebt der Mensch eine Implosion. Aber er genießt im-mer noch die Früchte der bis ins letzte durchgeführten Zerlegung der ursprünglichen Komponenten seines stammesgemeinschaftlichen Lebens. Diese Zerlegung macht es möglich, daß er Ursache und Wirkung im Wechselspiel von Technik und Kultur übersieht.” (Marshall McLuhan Die magischen Kanäle Düsseldorf 1968)

“So stehen wir heute vor der unerhörten Erfindung eines Sehens, das ohne Sehen auskommt, das allmählich den Menschen in seinen Fähigkeiten, Wirklichkeit wahrzunehmen, zu ersetzen vermag. [Man überläßt] einem aktiven ‘skopischen’ System, nicht nur über wahr und falsch zu entscheiden, sondern auch über das, was ist, und das, was nicht ist. Hier ist er also, der Deux ex machina, oder genauer: das Auge Gottes. [Hier ist sie also, die ‘ästhetik des Verschwindens’, oder genauer, ‘das Verschwinden der ästhetik’].” (Paul Virilio; Sehen ohne zu Sehen, Bern 1991)

Optische Hilfsmittel wie Helme und Brillen zur Simulation eines virtuellen Umfelds deuten die bevor-stehende Umwandlung der Augenoptik in eine Elekro-Optik an. “Fernrohr und Mikroskop eröffnen entfernte und unzugängliche Welten, waren erste Formen der Telepräsenz, Erweiterungen und Verlängerungen der Sinnesorgane. Das Konfliktpotential beruhte in der Spannung zwischen der Möglichkeit, andere, fremde Wirklichkeiten zu erfahren, und der Gefahr, der bislang gewohnten, ‘natürlichen’ Lebenswelt ‘entfremdet’ zu werden. In dieser Ambivalenz - und oft bis in den Wortlaut hinein identisch - steht später die Rezeption der Fotografie, des Telefons, Films, Radios, Fernsehens und schließlich der Telepräsenz, der Virtuellen Realität und der Compu-ternetzwerke.” (Florian Rötzer; Die Telepolis - Urbanität im digitalen Zeitalter; Mannheim 1995, s75/76)